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Zwischen den Realitäten – Die Regisseurin Sarah Kurze im Gespräch über ihre Inszenierung "Peer Gynt"

Die Regisseurin Sarah Kurze im Gespräch über ihre Inszenierung Peer Gynt - Foto: Thorsten Wulff

Was ist für dich das Besondere an Henrik Ibsens Stück Peer Gynt

Bereits beim ersten Lesen vor einigen Jahren hat mich das Stück unglaublich in den Bann gezogen, da ich es wahnsinnig spannend finde, in was für unterschiedliche Welten es mich getragen hat. Das Stück hat eine unfassbar treibende Dramaturgie und häufige Wendungen machen es sehr spannend. Außerdem hat mich schon immer stark beschäftigt, wie Menschen mit Wahrheit und Lüge umgehen. Das ist in Peer Gynt so komplex dargestellt wie in keinem anderen mir bekannten Stück. Auch die Zweifel darüber, wo wir uns befinden, ob etwas Wahrheit oder Lüge ist, ob es sich bei dem Dargestellten um Realität handelt oder eben gerade nicht, wachsen im Verlauf. Das alles im Theater, in dem ja die Verabredung ist, etwas vorgespielt zu bekommen, finde ich fantastisch.

Was macht das Stück für dich heute relevant?

In dieser Welt zwischen Wahrheit und Lüge mit ihren unterschiedlichen Realitäten, die Ibsen geschaffen hat, geht es natürlich um die Suche nach sich selbst – und das macht es so aktuell: Die Suche nach sich selbst in einer Welt, in der es eine Parallelwelt und -gesellschaft gibt, die ausschließlich online stattfindet und ihre eigenen Regeln und Wahrheiten hat oder in der es eben genau beides nicht gibt. Realitätsflucht ist nichts, das unsere Zeit besonders ausmacht. Aber weil wir heute permanent mit Informationen überflutet werden, wird es fast unmöglich, sich diesen komplett zu entziehen. Das führt zu einem schwierigeren Verhältnis zum Eskapismus und vielleicht schlussendlich zum Sich-Verlieren oder gar zum Verlust von sich selbst.

Wieso hast du die Rolle des Peer Gynt doppelt besetzt?

Bei uns gibt es eine zunächst zweigeteilte Welt, die durch Live-Kamera und unseren Videokünstler erschaffen wird. Diese Welt ist natürlich viel schneller veränderbar, führt uns sofort in einen anderen Raum. Anders als zu Ibsens Zeit, können wir durch Projektionen visuell schneller abdriften. So können wir auch zwei Peer Gynts in zwei getrennten Welten etablieren. Das ist natürlich eine feine Grundlage für eine Auseinandersetzung mit „sich selbst“ – spielerisch können sich die beiden nun wirklich finden. Aber ist das eine Suche, die überhaupt zu einer Antwort führen kann? Was passiert, wenn das Licht angeht und die Projektion verschwindet? Wo finden Begegnungen mit anderen statt und sind diese nachhaltig?

Sarah Kurze


Warum hast du dich als Grundlage deiner Fassung für die Übersetzung von Christian Morgenstern von 1901 entschieden?

Ich liebe die alten Formulierungen, Satzstrukturen und Worte, die bereits ausgestorben sind. Das holt einen sofort in eine andere Welt, außerdem schafft es eine Distanz, da es so weit weg von unserer Alltagssprache ist. Manchmal kommt es zwar auch etwas gestelzt oder didaktisch daher, aber dann holt es einen wieder ab, weil die gereimten Verse so schön platt und humorvoll sind.

Die Handlung von Ibsens Stück umspannt den Globus und ein ganzes Menschenleben. Wie wird man dem an einem einzigen Theaterabend gerecht?

Gar nicht. Ich glaube, der Komplexität des Stückes kann man nicht gerecht werden. Aber eben auch der Versuch, den Ibsen macht – mit dem Stück ein ganzes Leben niederzuschreiben – wird dem nicht gerecht. Es ist ein Versuch, und ich finde, das kommt dem Leben generell wiederum sehr nah.


Peer Gynt
nach Henrik Ibsen
Premiere 3. Oktober 2025
Weitere Infos finden Sie hier.